Heilung oder Erweiterung der Lebensfähigkeit
Ein paar Gedanken zum Thema Heilung
Ich denke also nicht an >Heilung< der Frühstörungen, die ich nach vielen Jahrzehnten psychiatrischer und psychotherapeutischer Erfahrung für ausgeschlossen halte. Vielmehr geht es mir um eine Eingrenzung und Milderung vorhandener Fehlentwicklungen und vor allem um einen kompetenten Umgang mit der vorhandenen Behinderung. Aus: Hans-Joachim Maaz „Die Liebesfalle“
Endlich redet mal jemand Klartext. Die Heilsversprechungen von TherapeutInnen haben mich immer geärgert. Weil nicht zu heilen geht, was nicht vorhanden ist, unter anderem Grundvertrauen. Lernbar ist Vertrauen trotzdem, allerdings gehört dazu auch das Lernen von Achtsamkeit. Das Vertrauen ohne vorhandenes Grundvertrauen ist schneller und leichter zu erschüttern und zu verunsichern, als auf Grundvertrauen basierendes Vertrauen. Also ist es wichtig, die (möglichen) Faktoren für die Erschütterung/Verunsicherung des Vertrauens a) wahrzunehmen, b) als solche zu identifizieren und c) Handlungsmuster zu entwickeln, die einen angemessenen Umgang damit ermöglichen. Das geht nicht von heute auf morgen, das braucht Zeit. Trotzdem ist es möglich. Und trotzdem wird das fehlende Grundvertrauen nicht geheilt. Aber sich selbst und anderen vertrauen zu können, ist erlernbar. Das macht das Leben um ein Vielfaches lebenswerter.
Warum gibt es für fehlendes Urvertrauen keine „Heilung“?
Fehlendes Urvertrauen, ein Konzept, das ursprünglich von dem Psychoanalytiker Erik Erikson entwickelt wurde, bezieht sich auf das grundlegende Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens, das ein Mensch in den ersten Lebensjahren entwickelt. Dieses Gefühl wird in der Regel durch die Erfahrungen mit den primären Bezugspersonen, meist den Eltern, geprägt.
Das Nachholen eines fehlenden Urvertrauens im späteren Leben ist schwierig sein, aus mehreren Gründen:
- Prägende frühe Lebensjahre: Die ersten Lebensjahre sind eine kritische Zeit für die emotionale und psychologische Entwicklung. Erfahrungen in dieser Zeit können langfristige Auswirkungen auf das Selbstbild und die Beziehungen zu anderen haben. Wenn diese frühen Erfahrungen von Unsicherheit oder Inkonsistenz geprägt waren, kann es schwierig sein, später im Leben ein starkes Gefühl des Urvertrauens zu entwickeln.
- Tief verwurzelte Glaubenssätze und Verhaltensmuster: Negative Erfahrungen in der frühen Kindheit können zu tief verwurzelten Überzeugungen und Verhaltensmustern führen, die schwer zu verändern sind. Diese Muster können unbewusst sein und automatisch ablaufen, was ihre Veränderung komplex macht.
- Emotionale und psychologische Komplexität: Das Nachholen von Urvertrauen erfordert oft intensive emotionale und psychologische Arbeit. Dies kann die Auseinandersetzung mit schmerzhaften Erinnerungen und Gefühlen sowie die Entwicklung neuer, gesünderer Beziehungsmuster beinhalten.
- Abhängigkeit von der aktuellen Umgebung: Die Entwicklung oder Stärkung des Urvertrauens hängt auch von der aktuellen Lebenssituation ab. Unterstützende, vertrauensvolle Beziehungen und ein sicheres Umfeld können dabei helfen, aber sie sind nicht immer vorhanden oder ausreichend.
- Individuelle Unterschiede: Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf seine frühen Erfahrungen und die Herausforderungen des Lebens. Was für eine Person funktioniert, mag für eine andere nicht ausreichend sein.
Keine Heilung, aber ein gutes Leben ist trotzdem möglich
Auch wenn es keine „Heilung“ im Sinne von „alles ist wieder ganz“ gibt, ist es wichtig zu betonen, dass Menschen eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Resilienz und zum persönlichen Wachstum haben. Mit geeigneter therapeutischer Unterstützung, Selbstfürsorge und vielleicht auch Veränderungen im persönlichen Umfeld können Menschen an ihren frühen Erfahrungen arbeiten. So lässt sich und ein stärkeres Gefühl des Vertrauens und der Sicherheit in ihrem Leben entwickeln.
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