Achtsamkeit am Achten – April 2024
Meine acht Momente Achtsamkeit im April 2024. Die Atemtherapeutin Susanne Wagner lädt jeden Monat am 8. dazu ein, 8 Momente vom Tag aufzuschreiben, die du mit wachen Sinnen wahrgenommen hast. Das ist eine Form der Achtsamkeit und es bedeutet, erst einmal wahrzunehmen ohne zu bewerten. Was siehst, hörst, spürst du? Wo im Körper spürst du es? Fühl es für einen Moment und dann schreib es auf. Hier darfst du dann auch bewerten.
Achtsamkeit am Morgen
Aufwachen
1. Moment: Noch vor dem Weckerläuten wurde ich heute Morgen von einem Geräusch geweckt. Es quietschte und dröhnte gleichmäßig aus dem Garten in mein Schlafzimmer. Ich bin mir nicht sicher, was mich geweckt hat, ob es das Geräusch war oder die Tatsache, dass mein schlaftrunkenes Bewusstsein das Geräusch als Gefahr einstufte. Jedenfalls schoss mein Puls in die Höhe und aufgrund des erhöhten Adrenalinspiegels wurde ich aus dem Schlaf katapultiert. Es dauerte eine Weile, bis ich mich in meinem Schlafzimmer orientiert hatte und das Geräusch einordnen konnte. Es war der Rasenmäher.
2. Moment: Um meinen Puls wieder herunterzufahren, nahm ich meine Atem-App zu Hilfe: 5 tiefe Atemzüge in einer Minute. Durch die Nase einatmen und durch die Nase ausatmen. Ich spürte förmlich, wie mein Puls sich verlangsamte und mein Körper sich beruhigte. Eine innige Selbstumarmung gab mir dabei das Gefühl von Sicherheit im Hier und Jetzt.
Achtsamkeit in der WG
3. Moment: In der WG erwartet mich ein schwieriges Gespräch. Um mich zu entspannen und in die nötige Ruhe zu bringen, gestatte ich mir einen Moment, bevor ich aus dem Auto aussteige. Ich drehe Kopf und Oberkörper langsam von links nach rechts und lasse meinen Blick auf allem ruhen, was meine Augen sehen: den blühenden Flieder im Garten der WG, die Blüten am Apfelbaum, der Carport, der gerade aufgebaut wird, die parkenden Autos, ein entgegenkommender Radfahrer, ein geöffnetes Fenster. Als ich aus dem Auto aussteige, fühle ich mich orientiert und fokussiert.
4. Moment: Das Gespräch ist vorbei und ich bleibe noch einen Moment im Garten der WG sitzen. Ich spüre meine Füße auf dem Boden, meine Hände streichen ruhig über meine Oberschenkel. Ich schließe die Augen und lausche. Ein Spatz schimpft in der Hecke, der laue Wind trägt den Duft des Flieders zu mir. Ich schnuppere und spüre, wie ich diesen Geruch in mir aufnehme. Mein Brustkorb weitet sich und mit einem Seufzer entweicht die Anspannung aus meinem Körper.
Achtsamkeit im Park
Es ist 12 Uhr und ich habe bis zum Leitungsteam noch eine Stunde Zeit. Eine Stunde, in der ich das sommerliche Wetter im Rosental genieße.
5. Moment: Dank des Wetters habe ich heute Morgen meine Barfußschuhe angezogen und nutze die Zeit für eine Gehmeditation. Im ersten Moment schaue ich mich verstohlen um. „Dieses Gehen mit Bewegungen in Zeitlupe sieht albern aus“, denkt es in meinem Kopf. Eine zweite Stimme antwortet: „Sieht vielleicht albern aus, aber wen interessiert das?“ Ich fokussiere mich auf meine Füße. Spüre den unebenen Boden, das weiche Gras, einen kleinen Stein. Hebe den linken Fuß vom Boden, nehme das leichte Knacken im Knie wahr, strecke das Bein, setze den Fuß bewusst wieder ab. Nach 10 Minuten völliger Selbstvergessenheit und Konzentration auf die kleinen Bewegungen in meinem Körper, fühle ich mich gestärkt und vollkommen frei im Kopf.
6. Moment: Es ist immer noch eine halbe Stunde Zeit bis zum Beginn des Leitungsteams. Die Sonne ist so warm, dass ich auf der Wiese meine Jacke ausbreite und mich hinlege. Ich stelle mir den Timer auf 15 Minuten, schließe die Augen und genieße die Sonnenstrahlen auf der Haut. Ich lausche dem „Krahkrah“ der Krähen, in der Ferne trompetet ein Elefant, nicht weit von mir entfernt höre ich das Kratzen von Sand unter den Füßen eines Läufers. Der Wind weht leicht und ich höre das Gras an meinem Kopf rascheln. Ein leichtes Kribbeln auf dem Arm, das schnell unangenehm wird. Ameisen. Ich öffne die Augen und entdecke, dass ich mich direkt auf die Hauptverkehrsstraße eines Ameisenvolkes gelegt habe.
Achtsamkeit während der Familientherapie
7. Moment: Mitten in der Familientherapiesitzung spüre ich eine wachsende Ungeduld in mir. Wir sind in der 30. Sitzung und drehen schon wieder Schleifen. Die Eltern streiten zum X-ten Mal über das Kindergeld. Was ist, wenn das Kind neue Turnschuhe braucht und einer will nur 10 € ausgeben, die andere aber 50 €. Wer zahlt die Differenz? Ich spüre, dass ich aus der therapeutischen Haltung herausfalle. Möchte die Eltern am liebsten schütteln und frage mich, wo der Fokus auf das Kind hin ist. Zum Glück bemerke ich, dass ich mich vom Konflikt der Eltern habe einfangen lassen. Ein Blick zum Kollegen, er übernimmt. Ich atme mehrmals tief in den Bauch, konzentriere mich auf meine Füße am Boden, spüre, wie der Sitz des Stuhles mir Halt gibt. Verändere meine Sitzposition so, dass ich mich stabil fühle, streiche mit den Händen sanft über meine Oberschenkel und bin wieder da. Habe meine therapeutische Haltung wieder.
Achtsamkeit am Abend
8. Moment: Ich weiß nicht, ob es an den sommerlichen Temperaturen liegt, aber schon den ganzen Nachmittag verspüre ich eine Sehnsucht nach Andreas. Weil meine beiden nächsten Wochenenden verplant sind, sehen wir uns erst in drei Wochen wieder und das kommt mir heute unendlich lang vor. Ich freue mich auf unser abendliches Telefonat. Also rufe ich ihn sofort über WhatsApp-Video an, als ich zu Hause ankomme. Ich sehe sofort, dass er noch im Büro ist. Freudestrahlend erzählt er mir, dass er ein paar Freunde zu Besuch hat und sie eine Runde Dart spielen. Das Telefonat dauert keine zwei Minuten. In mir spüre ich eine große Traurigkeit. Ich lege mich auf die Couch und lasse mich weinend von der Trauer überrollen. Währenddessen halte ich mich fest im Arm. Der Trauerschmerz verebbt und ich tröste mich mit dem Gedanken, dass es ihm gut geht. Ich habe Andreas in letzter Zeit selten so vergnügt gesehen. Also fokussiere ich mich auf mich. Was will, brauche ich gerade? Spüre, dass ich hungrig bin und bereite mir liebevoll ein Abendessen.
Liebe Susanne, die Ohren als Alarmzentrale, so habe ich das bisher nicht gesehen. Aber ja, wenn ich darauf achte, was mich als Erstes in Momenten der Überforderung stört, dann sind es die Geräusche. Das ist eine wichtige Erkenntnis, weil das dann der erste Schritt sein darf, mich aus der Überforderung herauszuholen. An einen Ort der Stille zu gehen und sei es mit Kopfhörern, die die Geräusche ausblenden. LG Sylvia
Danke liebe Birgit. Ja, das mit dem Fokus halten, ist nicht immer einfach, aber es gelingt immer öfter. LG Sylvia
Liebe Eveline, wow, dass mein Beitrag so viele Emotionen in dir berührt. Manchmal mache ich mir das beim Schreiben gar nicht bewusst, was Worte anschubsen können. LG Sylvia
Danke für deinen Kommentar, liebe Silke.
Liebe Sylvia
Danke für deinen Beitrag zum April-8Sammeln! Was für ein Schreck, mit Geräuschen aus dem Schlaf gerissen zu werden – die Ohren sind eine Alarmzentrale für sich, die in der modernen Welt überlastet ist. Super, wie du dich zu regulieren weisst – der Atem ist da der beste Freund – das sehe ich auch so!
Beim Lesen habe ich geschmunzelt, vor allem wie du so schön beschreibst, was bei der Gehmeditation bei dir abläuft. So oft denke ich selbst auch, wie sieht das denn aus, was denken denn jetzt die andern etc. Meistens sind andere Menschen ja mit sich beschäftigt oder gucken aufs Smartphone. Sobald jemand wirklich aufmerksam schaut, würde er oder sie wohl bald eine Sehnsucht spüren, es auch mit Barfussschuhen und langsamen Schritten zu versuchen. Was du hingebungsvoll und achtsam tust, hat eine einladende Ausstrahlung, die ich beim Lesen wahrnehme.
Es lebe das Erleben! Alles darf sein. Auch in diesem Beitrag beschreibst du so treffend, wie du Körperempfindung für dich nutzt, wie du geduldig übst, andern und dir selbst zu begegnen. Das klingt tief in mir an und ich neige dankbar meinen Kopf zum Herzen hin. Danke fürs Teilen!
Herzlich
Susanne
Liebe Sylvia,
mit großem Vergnügen habe ich deine 8 Momente gelesen und wahrgenommen. Ich freue mich sehr, dass du deinen Fokus immer wieder finden konntest. Du beschreibst deinen Tag wie einen kompletten Achtsamkeitstag. Dein letzter Moment hat mich besonders berührt. Du erkennst dein Gefühl, es darf sein und findet Anerkennung und du entscheidest, was du im Moment brauchst. Großartig!
Herzliche Grüße, Birgit
Liebe Sylvia
Beim Lesen deines 8sammeln Beitrags habe ich gelacht, geseufzgt, geschmunzelt und mit Tränen in den Augen mitgelitten… Danke für dein Teilen. Danke, dass ich einen Moment einsinken durfte in deinen Tag…
Alles Gute und bis zum nächsten 8sammeln
Eveline
Liebe Sylvia, ein Beitrag mit echter Tiefe. Herzlichst Silke