Achtsamkeit einmal anders – 8 von 8
Die Atemtherapeutin Susanne Wagner lädt jeden Monat am 8. dazu ein, 8 Momente vom Tag aufzuschreiben, die du mit wachen Sinnen wahrgenommen hast. Das ist eine Form der Achtsamkeit und es bedeutet, erst einmal wahrzunehmen ohne zu bewerten. Was siehst, hörst, spürst du? Wo im Körper spürst du es? Fühl es für einen Moment und dann schreib es auf. Hier darfst du dann auch bewerten.
Achtsamkeit auf dem Weg zur Arbeit
Spätsommermorgen
Noch etwas müde trete ich aus dem Haus in den Garten. Meine Wohnung ist kühl, sodass ich nie weiß, was mich draußen für eine Temperatur erwartet. Ein frischer und dennoch warmer Lufthauch trifft auf meine Haut. Es kribbelt auf der Haut und ein Schauer durchläuft meinen Körper. Im selben Moment rieche ich etwas: Eine leichte Süße, kombiniert mit dem harzigen Duft von nassem Holz. Das ist der Geruch nach Herbst und Abschied, denke ich.
Anhalten am Park
In Borna fahre ich mit geöffnetem Fenster an einem Park vorbei. Ein süßlich scharfer Duft von frisch gemähten Gras steigt mir in die Nase. Ich fahre auf den Seitenstreifen, halte an. Nehme bewusst ein paar Atemzüge und spüre, wie mein Körper sich entspannt. Die Schultern werden weich, der Atem tiefer und ein Lächeln liegt auf meinem Gesicht.
Achtsamkeit während der Arbeit
In der Mitte
Ich bin heute allein in Sachen Familientherapie unterwegs, der Kollege ist anderweitig verplant. Heißt, ich muss mich doppelt konzentrieren, weil ich mit einem Paar in deren Garten sitze. Obwohl das Gespräch entspannt ist und die beiden aktuell von einer positiven Entwicklung sprechen, verspanne ich immer mehr. Der Nacken schmerzt. Ich rutsche unruhig auf dem Stuhl hin und her, doch das bringt keine Linderung. Ich sitze zwischen den beiden, drehe den Kopf ständig nach rechts und links. In dem Augenblick, in dem ich mit dem Stuhl so weit zurückrutsche, dass ich beide im Blick habe, entspannt sich mein Körper, der Nackenschmerz verschwindet sofort.
Ein Satz
Mit einer anderen Klientin spreche ich über den Zusammenhang von Emotionen und Gedanken. Da sagt sie den Satz: „Manchmal glaube ich, ich brauche Urlaub von mir.“ Für einen kurzen Moment schießt Wärme in meinen Bauch und von da ausgehend verbreiten sich Unruhewellen durch meinen Körper. Ich schließe für eine Sekunde die Augen, atme tief in den Bauch, schüttle mich, als hätte ich Schüttelfrost. Fokussiere mich wieder auf mein Gegenüber.
Achtsamkeit in der Freizeit
Es ist 14 Uhr und ich habe heute keine Termine weiter. Kurz entschlossen biege ich von der Autobahn ab und fahre an den Störmthaler See.
Rauschen und Rascheln der Bäume
Es ist windig und ich beschließe ein paar Schritte im Schatten der Bäume zu machen. Unter meinen Füßen knirscht der Sandweg, bisweilen ein leichtes Knacken, wenn ich auf einen Ast trete. Die Blätter leuchten in vielen Grünfacetten, der Schatten kühl, ein großer Kontrast zu den Flecken, an denen die Sonne durchs Blattwerk scheint. Es raschelt und knarzt über mir. Ich setze mich auf eine Parkbank und schließe die Augen. Die Müdigkeit fließt aus mir heraus in den Waldboden. Ich fühle mich verbunden. Tiefer Frieden legt sich um mich, durchdringt mich. Ich bin zu Hause
Lecker Essen
Das gönne ich mir nur selten, Mittagessen auswärts an einem schönen Ort. Nach meinem Spaziergang im Wald weht mir der Duft von frisch gemahlenem Kaffee um die Nase. Ich beschließe, mich selbst zum Essen einzuladen. Rote-Beete-Falafel auf Salat mit Sesamsoße. Das Essen steht und sehr zur Verwunderung meiner Tischnachbarn halte ich meine Nase über den Teller und schnuppere mit geschlossenen Augen. Es riecht erdig, nach Roter Bete, leicht nussig nach Rucola und das Ganze wird umhüllt von einem intensiven Hauch Olivenöl. Spannend, obwohl ich noch keinen Bissen gemacht habe, kann ich alles schon auf der Zunge schmecken.
Wasser
In einem früheren Leben war ich ganz bestimmt eine Wassernixe. Heute liebe ich es am Wasser zu sein, auf dem Wasser oder mit den Füßen im Wasser. So auch heute. Nach dem Essen setze ich mich auf einen Steg am Wasser und tauche die Füße ins Nass. Das kühle Wasser umschmeichelt die Knöchel, die Füße werden ganz leicht und weich, es ist, als würde das Wasser meine Füße streicheln. Ich fühle mich ganz geborgen in diesem Moment.
Die Enkelin
17 Uhr bin ich mit Felix zur Übergabe von Momo verabredet. Ich sehe die beiden und alles in mir weitet sich, durchströmt vom Gefühl der Wärme. So fühlt sich stille Zuneigung und Liebe für mich an. Das Zwergenkind sieht mich, rennt auf mich zu. Meine Arme öffnen sich wie von allein und schon liegt sie eng an meinen Körper geschmiegt und wir drehen uns im Kreis. Glucksendes Lachen bricht aus mir hervor, während meine Nase tief den vertrauten Geruch ihrer Haare aufnimmt: leicht schwitzig, nach Vanille und Sonnenwärme. Alle meine Sinne sind auf Empfang und mich durchströmt tiefes Glück.
Ich finde, dieser Tag war eine schöne Übung darin, auf meine Sinne und meine Körperreaktionen zu achten und meine Wahrnehmung zu schulen für die kleinen Reaktionen. Falls dir das gefällt und du Lust hast, es auch einmal auszuprobieren, dann schau dir Susannes Anleitung an und mach mit. Der nächste 8. kommt ganz sicher.
Liebe Susanne, das freut mich sehr, dass ich dich mitnehmen konnte. Und ich bin sehr dankbar für dieses Format. Herzliche Grüße Sylvia
Liebe Silke, Danke für deinen Kommentar!
Liebe Sylvia, was für eine wunderbare Reise mit allen Sinnen, auf die du mich als Leserin in deinem September-8sammeln mitnimmst! Dein Text berührt mich, hat mich zum Lächeln gebracht und zum Aufatmen.
„Das ist der Geruch nach Herbst und Abschied, denke ich.“ da hattest du schon meine volle Aufmerksamkit! „Die Müdigkeit fließt aus mir heraus in den Waldboden. Ich fühle mich verbunden.“ Dein Erleben darf ich unmittelbar miterleben, was für ein Geschenk! Ich freue mich schon auf deine nächsten 8 Momente und danke dir fürs Mitmachen. Herzlich, Susanne
Hallo Sylvia,
#8sammeln ist ein tolles Format. Als Leserin fühle ich mich von dir so richtig mitgenommen. Danke.
Herzliche Grüße Silke