Kinderlieder – Gedichte zur Verarbeitung meiner Kindheitserfahrungen
Das Schreiben der „Kinderlieder“ half mir im jungen Erwachsenenalter dabei, die Kindheitserfahrungen durch ein traumatisierendes Elternhaus zu verarbeiten. Sie sind teils aus Reimen und Liedern für Kinder entstanden, deren Unschuld und Heile-Welt-Atmosphäre einen krassen Gegenpol zu den Inhalten bilden. Gewählt habe ich dieses Format, weil es meine kindliche Erfahrungswelt verdeutlicht. Ich habe es im Grunde genauso erlebt: Im Außen sahen alle nur das süße Kind, die heilige Familie und im Innen war es kalt und bröcklig. Nach außen hatte mein Leben den süßen Anschein, den Kinderlieder häufig vermitteln, im innen war es nicht einmal süßlich, sondern einfach nur bitter.
Traum eins
weiße Birkenfinger zum Himmel gereckt
seh’ ich die alte Eiche im Sumpf
schaukelt die zausige Krone
mein Bruder im Wind lacht und lacht
weiße Finger zum Himmel gereckt
als hinge seine Haut in Fetzen
als wolle auch ich ein Stück
und lacht, als wisse er
auch ich bin
Himmel.
Mutter
Du hast mich durch Zeiten getragen, im
Schrittmaß deines Blutes mich
Ausgestoßen, mit verkniffenem Mund, mir
Die Schnur um den Hals gelegt, meinen
Nabel getrennt.
Lernte sprechen bei dir.
Fand meine Sprache nicht.
Öffnete die Augen
Zu spät
Erkannte ich den Geruch
deines Fleisches.
Vater
Deine Hände am Hals
Lernte ich laufen.
Ach wie gut, dass niemand weiß
Dreck unter meinen Nägeln.
Einszweidreivier Eckstein
Immer muss ich versteckt sein.
Und du findest mich doch.
Mutter lass die Augen auf
Einmal war ich
Keine Jungfrau.
Schweigen
Des Vaters Fru die bunt gescheckte Kuh
Lebte in einem Dorfe wie diesem.
Stand nicht auf der Weide
Sang nicht mit im Chor
Ward blind
Als sie beim Fressen die Farbe verlor.
Mit ihrer Farbe verlor sie ein Kind.
Das nahm der Himmlische zu sich
Es tobte der Wind.
Sie merkt es nicht in ihrer Scham
Dass ihr der Vater das Kostbarste nahm.
Seither schreit eine Taube auf dem Dach:
Ruckedigu ruckedigu
Töchterchens Blut klebt nicht nur am Schuh.
Wird keiner von wach.
Traum zwei
Als meine Himmel sterben
Hirschkäfer kriechen auf meiner Haut und führen mich zum Tanz.
In meinem Blut stirbt das Lächeln des Winters
Über dem Axtschlag meines Dreifachherzens.
Als meine Himmel stürzen
Stech’ ich mir die Augen
Verlern’ ich das Schreien
Und gebar mich
Allmorgendlich aufs neue.
Tanzlied
Töchterchen komm, tanz mit mir
deine Unschuld hol’ ich mir
Läufst du weg, hol’ ich dich her
Komm mein Kind
Das ist nicht schwer.
Und noch einmal das schöne Spiel
Weil es mir so gut gefiel
Immer rein und wieder raus
Kind, wir sind allein zu haus.
Der Clown
Verlor mein Gesicht unter hellen
Laternen war der Tod mein
Begleiter legte mich auf die Bühne
Grub mir die Nägel ins Fleisch und
Küss mir die blutige Scham.
Das Lachen der Zuschauer auf Parkbänken
In Mietskasernen hinter verschlossenen
Türen machen sie Ernst.
Vater ade
Vater ade. Scheiden tut nicht weh.
Am Strand lagen Perlen
Versteckt meine Hände sonnen
Gebrannt warf ich den Körper ins Wasser wie
Auf den Geliebten.
Bin Fleisch geworden.
Als ich noch Flügel hatte
Verloren Perlen Glanz.
Am Ufer hat mich der Vater geliebt
Sein Märchen, mein Schoß.
Sein Samen riss mir die Flügel am Strand
Liegen Perlen versteckt.
Vater ade. Scheiden tut nicht weh.
Aber dein Scheiden macht, dass mir das Herze lacht.
Vater ade. Mein Scheiden tut weh.
Traum drei
Bröckelnde Wände rasen auf mich
Übergroß zerschellen sie Stein
An Stein im Gesicht mir
Röcheln lachende Neonleuchten.
Überm Weg zahl’ ich Falte für
Falte trag’ ich ab
Und an überkommt mich das Lachen
Der Kriegerin.
[…] auch die inneren Auslöser, deren Ursprung vermutlich in unseren frühen Lebensjahren, in unserer Kindheit liegt. Diese Qualität von Selbstzweifel erwächst aus dem Bedürfnis, geliebt zu sein, […]
[…] 20.11.2007 habe ich den ersten Beitrag – KINDERLIEDER – auf diesem Blog gepostet. Ursprünglich war er dafür gedacht, meine Texte zu […]