Wichtige Entscheidungen brauchen eine solide Grundlage
Schon vor einigen Jahren spielte ich mit dem Gedanken an Selbstständigkeit. Sprach mit meinen Freundinnen darüber. Sie waren begeistert, meinten, darauf warten sie schon lange. Sie motivierten mich, den Gedanken in Taten zu wandeln. Ich enttäuschte sie und ich enttäuschte mich. Setzte die Idee nicht um, träumte nur. Ich haderte mit mir. Verstand nicht, was mich hinderte.
Ich liebe es für mich, mein Leben, meine Handlungen selbst verantwortlich zu sein. Das ist für mich der Inbegriff von Freiheit. Ich hatte 15 Jahre
Berufserfahrung in leitender Position, 7 Jahre davon als
systemische Therapeutin. Diplom und Master in der Tasche und diverse Ausbildungen. Bestens gerüstet für die Selbstständigkeit. Dachte ich. Nur hatte ich eine Komponente nicht berücksichtigt, mich. Meine tief sitzende Angst, zu scheitern. Oberflächlich betrachtet könnte ich sagen, diese Angst ist „normal“ und gehört zur Gründung dazu. Es war jedoch nicht die Angst zu versagen. Ich musste tief graben in mir, bis ich es verstanden hatte.
Aufgrund meiner Lebensgeschichte fehlte mir etwas Wesentliches. Ich hatte kein Urvertrauen. Ohne Urvertrauen ist zwar ein Funktionieren möglich, ein irgendwie durchs Leben kommen, für eine gelingende Selbstständigkeit fehlt jedoch die auf dem Urvertrauen basierende innere Sicherheit. Der Gedanke an die Selbstständigkeit war ein schöner Traum, sobald ich an die Umsetzung dachte, fühlte es sich an wie ein Tanz auf einem See voller Schmelzeis.
Lebenskrisen, meine wichtigsten Wegweiser zur inneren Kraft
Alleinerziehend, ohne familiäre Anbindung, für die (auch finanzielle) Absicherung des Lebens für meine Tochter und mich zuständig, gab mir die Anstellung einen äußeren Sicherheitsrahmen. Meine Angst zeigte mir den Weg. Mich ohne innere Sicherheit der äußeren Sicherheit zu berauben, das wäre Kamikaze gleich gekommen. Ich hätte mich dieser Grundlage beraubt, wäre ich der Idee Selbstständigkeit sofort gefolgt. So klar hätte ich das damals nicht formulieren können, aber so klar habe ich es empfunden.
Sehr hilfreich (in der Nachbetrachtung) war dabei eine äußerst schmerzhafte Trennung. Durch diese wurde ich noch einmal konfrontiert mit all meinen Urängsten. Plötzlich standen sie wie aufgereiht vor mir: Nicht liebenswert zu sein, zu dumm fürs Leben, nicht schön genug, zu alt, zu kaputt, zu zu zu. Obwohl all das schmerzte, begriff ich instinktiv, dass dies eine große Chance für mich war. So viele Jahre hatte ich diese Stimmen in mir weggedrückt, habe sie ignoriert, konnte mich nicht mit ihnen auseinandersetzen, weil ich fürchtete, darüber endgültig verrückt zu werden, zu sterben (durch Suizid, weil ich den Schmerz nicht ertragen könnte).
Mit dieser Trennung trat ein, wovor ich mich immer gefürchtet hatte. Bis dahin war ich es, die aus Beziehungen ging, sozusagen vorbeugend, um den Schmerz des Verlassenwerdens nicht spüren zu müssen. Doch nun war ich verlassen, spürte den Schmerz. Nichts von dem, was ich in mir fürchtete, trat ein. Ich wurde nicht verrückt, verlor nicht komplett den Boden unter den Füßen. Ich lebte. Angeschlagen zwar, aber funktionierend. Das nahm ich zur Basis, um mit all den verborgenen Ängsten aufzuräumen.
Ein Foto von mir, kurz nach der Trennung im November 2012. Der Scherz ist mir ins Gesicht gezeichnet. Ich hangelte mich von Tag zu Tag. Alles in mir fühlte sich erstarrt.
Aufräumen, durchleben, loslassen, neu ausrichten
Die Jahre, die seither vergangen sind, habe ich gut genutzt. Ich habe mich noch mehr weiter gebildet, habe noch eine Therapie gemacht, Emotionskurse besucht, kurz, ich habe mich um meine innere Sicherheit gekümmert. Habe fruchtbare Erde heran gekarrt, Regenwürmer und Humus darunter gemixt und so den Boden für das Vertrauen in mich und andere bereitet. Ich bin tief eingetaucht in meine Themen. Verstand, dass ich bis zu meinem 40. Lebensjahr nie „Ja“ gesagt habe zum Leben.
Ich wollte mich lebendig fühlen, ohne das Leben in all seinen Facetten willkommen zu heißen. Ich habe Glaubenssätze transformiert, habe gelernt, mich selbst zu regulieren, nicht mehr in permanenter Dissoziation zu leben und meine ungeliebten Anteile ans Licht geholt und mich mit ihnen versöhnt. Das heißt nicht, dass jetzt alles ewiger Sonnenschein ist, sondern es heißt, ich nehme mich an, wie ich bin. Ich höre zu, wenn sich eine unangenehme Emotion meldet und versorge das Bedürfnis, auf welches sie mich aufmerksam macht. Dieses für mich selbst sorgen können und es tun, das bedeutet für mich innere Sicherheit und Selbstliebe.
Im Ergebnis dieser Arbeit habe ich mich am 08. 05. 2014 selbst geheiratet. Damit gab ich mir das Versprechen, mich zu lieben und zu achten, mit all meinen Anteilen, den strahlenden, starken und mit den schamhaften, ängstlichen, wütenden. Seitdem erneuere ich mein Ehegelübde alle zwei Jahre. Aus dem hässlichen Vögelchen mit gebrochenen Flügeln ist ein wunderschöner Phönix geworden. Heute schmückt mich nicht nur ein schillerndes Federkleid, sondern tief verankert ist die Verbundenheit mit dem Leben und mir.
So ein Weg in die Selbstannahme, zur Selbstliebe ist mitunter ziemlich steinig und braucht seine Zeit. Die Aufmerksamkeit, mit der ich diesen Weg gegangen bin, hielt neben schmerzlichen auch ganz wunderbare Begegnungen mit mir und anderen beschert. Alte Wegbegleiterinnen haben sich verabschiedet, neue haben zu mir gefunden und ich zu ihnen.
Es ist an der Zeit neue Wege zu gehen – Meine Vision
Es hat über 10 Jahre gedauert, doch jetzt bin ich bereit für den nächsten Lebensschritt, die Selbstständigkeit. Als Lebensglück-Navigatorin trete ich dafür an, Frauen dabei zu unterstützen, ihren ureigenen Weg zu finden und zu gehen. Dabei den Krisen und Herausforderungen des Lebens zu vertrauen, denn in ihnen liegt der Schlüssel zur Lebenskraft. Wie der Titel dieses Beitrags schon verrät, ich bin überzeugt davon, dass unsere
Lebenskrisen unsere wichtigsten Wegweiser sind. Wir müssen sie „nur“ entschlüsseln.
Meine schönste Vision von dieser Arbeit ist es, mit all diesen freien Frauen ein zünftiges Weiberfest zu feiern. Eine Massenhochzeit der sich selbst liebenden Individualistinnen und ich bin die Zeremonienmeisterin. Ich wollte schon immer mal Traurednerin sein und diese Art der Hochzeit ist die schönste und wichtigste aller Hochzeiten.
Ob jung oder alt, dick oder dünn, mit Beulen an den Schenkeln oder mit einer langen Nase – das Leben ist zu kurz, um uns von solchen Dingen davon abhalten zu lassen, uns selbst zu lieben. Selbst wenn es kein anderer tut, wenn Du von innen heraus vor Liebe zu Dir selbst strahlst, leuchten nicht nur Deine Augen. Du leuchtest voller Güte, Kraft und Lebensfreude. Lass uns gemeinsam Deine wichtigste Hochzeit feiern.
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