Von der Ohnmacht zur Stärke: Mein Engagement für Frauen

Die Welt braucht Frauen – Was tust du, um Frauen zu stärken?“ Dieser Aufruf zur Blogparade von Susanne Berg hat mich sofort angesprochen. Frauen stärken, ist einer meiner intrinsischen Motivatoren. Ich bin selbst eine Frau. Auf dem Weg zur Frauwerdung und auch später, als ich längst eine Frau war, habe ich so viele Gebirge auf meinem Weg vorgefunden. Die sind nicht natürlich entstanden, sondern mit patriarchaler Gewalt auf meinen Weg geworfen worden. Daher ist es mir schon lange ein Anliegen, Frauen beim Graben von Tunneln durch diese Gebirge oder besser noch beim Sprengen dieser zu unterstützen. Gemeinsam fällt es leichter, diese Gebirge aus dem Weg zu räumen. Unter den Trümmern liegen wahre Schätze verborgen.

Ich bin nicht frei, solange eine Frau unfrei ist, auch wenn ihre Fesseln ganz anders sind als meine. – Audre Lorde

Welche Erlebnisse haben mich in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit geprägt?

Bildnis von Norbert Wagenbrett. Er schreibt dazu auf Instagram: „Diese Frau ist eine sehr emanzipierte Frau und ein Mann hat es nicht so leicht neben ihr. Aber man kann es auch umgekehrt sehen: Der Mann ist sozusagen problematisch und sie wehrt sich dagegen.“

Es gab viele Prägungen, die mich erst dazu gebracht haben, über das Thema Geschlechtergerechtigkeit nachzudenken. Aus diesen Überlegungen heraus, wuchs beständig in mir der Wunsch, an der erlebten Ungerechtigkeit etwas zu ändern. Noch später wurde daraus die Motivation, Frauen in ihrer Kraft zu stärken.

  • Ich wuchs als jüngste unter drei Geschwistern auf, die beiden Älteren waren Jungen. Ich empfand es als ungerecht, dass sie nie im Haushalt helfen mussten. Sie bekamen seltener Stubenarrest und hatten überhaupt viel mehr Freiheiten als ich.
  • Kam das Essen auf den Tisch, dann immer in dieser Reihenfolge: Vater, Brüder, ich, Mutter. Gefühlt bekamen sie immer die leckersten Teile vom Essen. Ein Grund für meinen Futterneid, der bis heute in mir wirksam ist.
  • Physische und sexuelle Gewalterfahrungen im Elternhaus, im Freundeskreis, im Sportverein und in der Lehrausbildung.
  • Als ich mich vom Mädchen zu Frau entwickelte, gab es zunehmend mehr Menschen, die meinen Körper beurteilten. Sprüche, wie ich sie mir im nahen Umfeld, aber auch von vollkommen Fremden anhören musste, bekamen meine Brüder nicht zu hören.
  • Nach der Wiedervereinigung hatte ich als Frau das Gefühl, ins Mittelalter zurückversetzt zu werden. Ich durfte nicht mehr über den eigenen Körper entscheiden. Eine Regierung, in der Mehrheit Männer, war (ist) der Meinung, es braucht ein Gesetz, damit Frauen nicht grundlos abtreiben. Zumindest uns Ost-Frauen wurde ein Recht weggenommen und es wurde über unsere Köpfe und Körper hinweg entschieden.
  • Auch die Erfahrungen als Alleinerziehende alles allein stemmen zu müssen und keinerlei Unterstützung zu erhalten, haben mich geprägt. Aus heutiger Sicht, auch als Familientherapeutin kann ich sagen, die meisten Gesetzesänderungen der letzten 35 Jahre in Bezug auf Elternschaft gingen zulasten von Frauen.

Wann habe ich gemerkt, dass ich mich für Frauen einsetzen möchte?

Frauen stärken: Titelblatt der ersten Ausgabe der DAZ - Die andere Zeitung Leipzig

Screenshot Frauen 1989

Das begann bei mir in der Wendezeit. Ich beschäftigte mich mit feministischer Literatur, demonstrierte gegen die Einführung des Paragrafen 218 und lernte einen Kreis engagierter Frauen kennen. Mit ihnen lernte ich Frauen kennen, die ähnliche Formen der physischen und sexuellen Gewalt erfahren hatten. Ich verstand, dass dies kein – wie von mir bis dahin angenommen – persönliches Problem, Einzelschicksal war, sondern dass viele Frauen ähnliche Erfahrungen machten. Ich verstand auch, dies ist ein strukturelles Problem, ein gesellschaftliches. Von dieser Zeit an wusste ich, wenn nicht wir Frauen für unsere Rechte eintreten, dann tut es wohl niemand.

Wie ich mich bisher für Geschlechtergerechtigkeit engagierte und engagiere

Frauen stärken: Screenshot digitales Frauenarchiv - Zaunreiterin

Screenshot: digitales Frauenarchiv – Frauenzeitschrift Zaunreiterin

Ich bin ja schon ein paar Jahre länger auf dieser Welt zugange. So verwundert es sicher nicht, dass sich mein Engagement im Laufe der Zeit gewandelt hat. Hier ein paar Stationen meines Engagements:

  • In den 90er-Jahren habe ich bei verschiedenen Zeitschriften mitgearbeitet, so bei der DAZ (Die Andere Zeitung Leipzig) für die ich vor allem für die Frauenseiten schrieb und bei der Zeitschrift „Die Zaunreiterin“ gehörte ich fest zum Stamm der Redakteurinnen.
  • Gemeinsam mit anderen Frauen gründete ich den ersten Leipziger Verein gegen sexuellen Missbrauch „AVALON“.
  • Im Radio-Verein Leipzig gründete ich die erste Mädchenredaktion und engagierte mich in verschiedenen Gremien für feministische Medienpädagogik.
  • Gemeinsam mit meiner Kommilitonin Sabine Döge untersuchte ich im Rahmen unserer Diplomarbeit die Bedingungen der Mädchenarbeit: Schwierigkeiten der praktischen Mädchenarbeit: am Beispiel der Mädchenarbeit in Leipzig.
  • Ende der 90er-Jahre arbeitete ich im Leipziger Beirat für Frauen mit (heute Beirat für Gleichstellung).
  • Anfang der 2000er-Jahre erarbeitete ich gemeinsam mit anderen das Konzept für ein Leipziger Schutzhaus für Mädchen.
  • In den Jahren 1999 bis 2022 engagierte ich mich im Beirat der Autorinnenvereinigung, einem Netzwerk für deutschsprachige Autorinnen.
  • Als Mentorin bei MentorMe biete ich seit 2022 jährlich jeweils einer Frau für 12 Monate kostenlose Begleitung an.
  • Seit 2022 bin ich als Sidepreneurin – Krisen- und Trauma-Coach – tätig und arbeite vorrangig mit Frauen, die in ihrem Leben sexuelle Gewalt erfahren haben.
  • Mit meinem Blog schreibe ich gegen die Tabuisierung der Auswirkungen sexueller Gewalt an und ermutige Frauen dazu, aus der Schmuddelecke der Gesellschaft herauszutreten, das Opferstigma abzulegen und sich selbstbewusst ein Leben in Freude und Würde nach eigenen Vorstellungen aufzubauen.

Welche kleinen oder größeren Erfolge hast du diesbezüglich schon erlebt?

Gesellschaftlich und strukturell gesehen war und ist mein Engagement nicht mehr als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Individuell, aus der Sicht einzelner betrachtet, hat mein Wirken Anstöße gegeben und Biografien verändert. Was mich besonders freut, die Mädchenredaktion gibt es heute noch, 20 Jahre später. Von den Mädchen, die damals in meiner Gruppe waren, haben einige später Journalismus studiert.

Auch die Arbeit der Autorinnenvereinigung hat sich gelohnt. Literatur von Frauen wird seltener rezensiert. Autorinnen erhalten weniger Literaturpreise als Autoren. Dem wirkten wir entgegen, mit Öffentlichkeitsarbeit und mit dem Preis für die Autorin des Jahres. Der Preis war gering dotiert, zeigte für das weitere Schaffen der jeweiligen Autorin aber Wirkung: Türen öffneten sich und weitere Preise folgten.

Es braucht Zeit, einen Blog bekannt zu machen. Von gerade mal 10 Leser:innen im Jahr 2020 bin ich bei inzwischen monatlich ca. 600 Leser:innen, Tendenz steigend. Ich bin mir bewusst, dass es bei den Themen, über die ich schreibe, Mut erfordert zu kommentieren. So ein Blog ist ja auch eine Art von öffentlichem Raum. Noch vor 20 Jahren hätte ich selbst diesen Mut nicht aufgebracht. Wichtig ist mir, dass der Blog gelesen wird. Dass Frauen sich gesehen fühlen, die ähnliche Erfahrungen mit männlicher Gewalt gemacht haben wie ich, das ist mir wichtig. Dieses Verstehen von „Ich bin nicht allein“ kann ein erster Schritt in ein Leben sein, welches nicht mehr von den Auswirkungen der Gewalterfahrungen dominiert wird.

In der Zusammenarbeit mit den einzelnen Frauen, meinen Klientinnen, erlebe ich viele Momente des Erfolges. Ein erstes Mal frei atmen zu können, sich zu öffnen, sich gesehen, gehört und verstanden fühlen. Gemeinsam lachen zu können, trotz der schweren Themen. Wenn die Frauen anfangen, sich selbst sichere Räume zu schaffen, sich mehr und mehr zutrauen, freier werden, das bringt mich zum Strahlen. Das ist Erfolg.

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Herzliche Grüße

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Hallo, ich bin Sylvia

systemische Therapeutin, Trauma-Coach und Bloggerin. Seit über 20 Jahren arbeite ich mit Paaren, Familien und Einzelpersonen daran, negative Kindheitsprägungen und frühe Traumata zu lösen und ein Leben voller Selbstvertrauen, innerem Frieden und emotionaler Stabilität zu führen.
Für ein erfülltes Leben in Verbundenheit.

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