Meine Prognose für 2024: Emotionale Selbstregulation
2023 war für mich ein Jubiläumsjahr. Seit 20 Jahren arbeite ich als systemische Therapeutin und mit Familien an den unterschiedlichsten Themen. Mir begegnen in meiner Arbeit Menschen mit psychischen Erkrankungen und Traumata, aber vor allem Menschen in Situationen der Überforderung und in Krisen. Eine häufige Lösungsstrategie, die mir begegnet, ist der Weg über Konflikte oder Konfliktvermeidung, woraus wieder neue Konflikte entstehen. Das alles führt für viele Menschen zunehmend zu Stress, der sich körperlich und emotional zeigt und mit dem viele nur schwer umgehen können. Daher wage ich die Prognose, dass im Jahr 2024 die emotionale Selbstregulation an Bedeutung für das Miteinander und in der Stressbewältigung zunehmen wird. Die Fähigkeit zur Selbstregulation ist aus meiner Sicht der sichere Weg raus aus dem Kreislauf von Stress und Konflikt hin zu einem glücklicheren und erfüllteren Leben.
Die Bedeutung der emotionalen Selbstregulation im Jahr 2024
Wir leben in einer sich rasant verändernden Welt, das Jahr 2024 wird da keine Ausnahme sein. Die Bedeutung der emotionalen Selbstregulation nimmt in diesem dynamischen Umfeld stetig zu. Die aus meiner Sicht wichtigsten Punkte, in denen Selbstregulation hilft, diese Herausforderungen zu bewältigen:
- Wachsender Stress und Schnelllebigkeit: Die moderne Welt ist geprägt von einer ständigen Flut an Informationen und einem hohen Tempo im Berufs- und Privatleben. Dies kann zu erhöhtem Stress und Angstzuständen führen.
- Digitale Vernetzung und soziale Medien: Die ständige Vernetzung und die Präsenz in sozialen Medien können unsere emotionalen Zustände stark beeinflussen und wir müssen lernen, unsere Reaktionen auf digitale Stimuli zu steuern und gesündere Beziehungen zur digitalen Welt zu entwickeln.
- Veränderungen im Arbeitsumfeld: Flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und virtuelle Interaktionen erfordern eine neue Art der Selbstorganisation und emotionale Anpassungsfähigkeit. Wir müssen lernen, diese Veränderungen effektiv zu managen.
- Wichtigkeit von mentaler Gesundheit: Das wachsende Bewusstsein für die Bedeutung psychischer Gesundheit hebt die Notwendigkeit hervor, emotionale Selbstregulation als einen wesentlichen Aspekt des Wohlbefindens zu verstehen und zu praktizieren.
- Persönliches Wachstum und Beziehungen: Die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu regulieren, ist entscheidend für persönliche Entwicklung und den Aufbau gesunder zwischenmenschlicher Beziehungen. Sie ermöglicht es uns, mit Konflikten und Herausforderungen umzugehen und konstruktive Entscheidungen zu treffen.
Was ist emotionale Selbstregulation und warum ist sie wichtig?
Unter Selbstregulierung versteht man die Fähigkeit, eigene Handlungen, Gedanken und Emotionen zu kontrollieren und zu steuern. Es geht dabei um die bewusste Entscheidung, das eigene Verhalten entsprechend bestimmter Ziele und Werte anzupassen oder zu ändern. Die Selbstregulierung umfasst verschiedene Aspekte wie Aufmerksamkeitssteuerung, Impulskontrolle, Emotionsregulation und Zielsetzung. Ein wichtiger Bestandteil ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Durch das Bewusstmachen eigener Gedanken und Gefühle kannst du lernen, sie besser zu verstehen und gezielt zu beeinflussen. Auch das Setzen realistischer Ziele und die Überprüfung des eigenen Fortschritts gehören zur Selbstregulierung. Es geht also darum, deine Gefühle zu verstehen, die Angst vor den Gefühlen abzubauen und sie so zu regulieren, dass dein Verhalten im Einklang mit deinen Zielen und/oder Werten steht.
Die Fähigkeit zur Selbstregulation wirkt sich auf alle Bereiche des Lebens aus – von der Beziehung zu dir selbst und zu anderen bis hin zum Beruf und zum gesellschaftlichen Miteinander. Ist diese Fähigkeit gut ausgeprägt, hat dies viele positive Auswirkungen auf das Leben eines Menschen. Sie ermöglicht es dir, schwierige Situationen besser zu bewältigen, dich auf deine Ziele zu konzentrieren und impulsives oder unangemessenes Verhalten zu vermeiden. In zwischenmenschlichen Beziehungen trägt eine gute Selbstregulierung dazu bei, Konflikte konstruktiv zu lösen und empathisch auf andere Menschen einzugehen.
Die Auswirkungen mangelnder Selbstregulation auf dein Wohlbefinden
Wenn du dich nicht selbst regulieren kannst, hat das Auswirkungen auf dein Wohlbefinden und deine zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Art, wie du mit deinen Gefühlen umgehst, wie du auf Stress reagierst und wie du mit anderen interagierst, hängt davon ab, ob du deine Emotionen regulieren kannst oder nicht. Wenn du es nicht kannst, hat dies Auswirkungen und dies kann sich so äußern:
- Beeinträchtigung des emotionalen Wohlbefindens: Ohne die Fähigkeit zur emotionalen Selbstregulation kann es dir schwerfallen, deine Emotionen zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Dies kann zu erhöhtem Stress, Angstzuständen und Depressionen führen. Es kann auch das Gefühl der Hilflosigkeit oder Überwältigung in schwierigen Situationen verstärken.
- Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit: Langfristiger Stress und unkontrollierte Emotionen können sich negativ auf deine körperliche Gesundheit auswirken. Dies kann sich in Form von Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Verdauungsproblemen und einem geschwächten Immunsystem zeigen.
- Beeinträchtigung der zwischenmenschlichen Beziehungen: Schwierigkeiten beim Ausdruck und bei der Kontrolle von Emotionen können Missverständnisse, Streitigkeiten und Entfremdung verursachen, was zu dauerhaften Konflikten führen kann.
- Probleme bei der Konfliktlösung: Menschen mit geringer emotionaler Selbstregulation neigen dazu, impulsiv zu reagieren, was die Lösung von Konflikten erschwert. Dann fällt es dir schwer, ruhig und konstruktiv auf Herausforderungen zu reagieren.
- Auswirkungen auf die Arbeitsleistung: Am Arbeitsplatz kann fehlende Selbstregulation zu verminderter Produktivität, erhöhtem Stress und Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Kolleg:innen führen. Dies kann wiederum deine berufliche Zufriedenheit und Karriereentwicklung beeinträchtigen.
- Selbstbild und Selbstwertgefühl: Wenn du dich selbst als unfähig wahrnimmst, deine Emotionen zu steuern, kann dies zu Gefühlen der Unzulänglichkeit führen und das persönliche Wachstum einschränken, weil Lern- und Entwicklungsprozesse gehemmt werden, wenn du ständig von unkontrollierten emotionalen Reaktionen überwältigt wirst.
Wie Kinder die Selbstregulation lernen
Die Fähigkeit zur Selbstregulierung ist nicht angeboren, sondern muss erlernt werden. Kinder lernen dies durch Beobachtung, Nachahmung, Erfahrung und Übung, wenn durch ihre Bezugspersonen die Rahmenbedingungen dafür gegeben werden. Vielen Erwachsenen in unserer Kultur standen diese Rahmenbedingungen in ihrer Kindheit nicht zur Verfügung, weil sie den Eltern nicht zur Verfügung stunden und das Wissen darüber sehr begrenzt war. Die gute Nachricht: auch Erwachsene können ihre Selbstregulationsfähigkeiten verbessern und damit ihr Leben positiv beeinflussen. Allein anhand der aufgezählten Rahmenbedingungen, die Kinder benötigen, kannst du herausfinden, was du in deiner Kindheit vermisst hast und damit, wo du für dich beginnen kannst. Fängst du einmal damit an, steigst du in einen lebenslangen Lernprozess ein, doch ich kann dir aus eigener Erfahrung eines versprechen: Es lohnt sich!
Rahmenbedingungen, die Kinder benötigen
- Vorbildfunktion der Eltern und Bezugspersonen: Wenn Eltern und andere wichtige Bezugspersonen effektive Selbstregulationsfähigkeiten zeigen, lernen Kinder durch Beispiel. Dies umfasst den Umgang mit Emotionen, Konfliktlösung und Selbstkontrolle.
- Benennen von Gefühlen: Erwachsene helfen Kindern, ihre Emotionen zu verstehen, indem sie diese benennen. Dies hilft Kindern, ihre eigenen Gefühle zu erkennen und zu benennen.
- Schaffen einer sicheren und unterstützenden Umgebung: Eine stabile, vorhersehbare Umgebung gibt Kindern das Gefühl der Sicherheit. Dies ist grundlegend für die Entwicklung von Selbstregulation, da Kinder in einer sicheren Umgebung besser lernen können.
- Grenzen setzen und Konsequenzen aufzeigen: Klare Regeln und Grenzen helfen Kindern, Erwartungen zu verstehen und angemessene Verhaltensweisen zu erlernen. Es ist wichtig, dass Konsequenzen nachvollziehbar und fair sind.
- Geduld und Verständnis zeigen: Kinder lernen neue Fähigkeiten nicht über Nacht. Es ist ein Prozess, der Geduld und wiederholte Übung erfordert. Das braucht von den Erwachsenen Verständnis für Rückschritte und ein Wahrnehmen, Feiern der Fortschritte.
- Emotionale Ausdrucksfähigkeit fördern: Aktivitäten wie Malen, Musik und Rollenspiele können Kindern helfen, ihre Gefühle auf kreative Weise auszudrücken.
- Ermutigung zur Selbstständigkeit: Kinder dürfen selbst Entscheidungen treffen und eigenständig Aufgaben erledigen. Dies fördert ihr Selbstvertrauen und ihre Fähigkeit zur Selbstregulation.
Ein persönliches Beispiel für emotionale Selbstregulation
Silvester 2023. Draußen dröhnt und knallt es und das verhindert, dass am letzten Tag des Jahres noch einmal spazieren gehe. Ich spüre Verunsicherung, gepaart mit Wut. Verunsicherung, weil ich gern hinausgehen möchte und mich im letzten Tageslicht, von diesem Jahr 2023 verabschieden will, doch mein Bedürfnis nach Sicherheit kollidiert mit diesem Wunsch. Wut, weil das Geböller mich daran hindert, zu tun, was ich gern tun will. Doch die Menschen, die da zündeln und Fußgänger:innen mit Knallern bewerfen, nehmen keine Rücksicht.
Das macht mich unruhig. Ich tigere durch die Wohnung, weine, fühle mich einsam und unverbunden. Lege mich auf den Boden und lasse den Schmerz dieses Emotionsgemischs zu. Spüre, wie sich Ohnmacht in mir ausbreitet. Aufgrund der früh erlebten sexuellen Gewalt, ist Ohnmacht für mich eines der am schwersten auszuhaltenden Gefühle. Ich atme ein paar Minuten nach der 4-7-8 Atemtechnik. Das innere Zittern wird weniger. Ich gehe in die Küche und mache mir eine Wärmflasche heiß. Mit der Wärmflasche ziehe ich mich zurück in mein Wohnzimmer, setze mich in eine Decke gehüllt auf die Couch. Schaffe mir so eine Höhle und die gibt mir Sicherheit. Mit der Wärme auf dem Bauch und der Decke über den Schultern und führe ich eine Stabilisierungsübung durch, die 5-4-3-2-1 Übung. Im Anschluss mache ich ein 20-Minuten-Powernapping.
Als ich aufwache, hat sich das Geböller draußen vervielfacht, aber es ficht mich nicht mehr an. Ich bin ruhig und weiß jetzt, wie ich den Abend verbringe: Ich telefoniere mit meinen Lieben und schreibe meinen letzten Blogartikel im Jahr 2023 – zu emotionaler Selbstregulation. Wie passend.
Wie Selbstregulation geht und wie du diese Fähigkeit entwickeln kannst
Eine wichtige Voraussetzung für eine gute Selbstregulation ist eine ausgeprägte Selbstwahrnehmung und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Ebenfalls als hilfreich erweist sich, dir Unterstützung in deinem sozialen Umfeld zu suchen und Stressfaktoren im Alltag zu reduzieren. Überdies gibt es einige Techniken und Strategien, die dir dabei helfen können, emotionale Selbstregulation zu erlernen. Eine Möglichkeit besteht darin, dir bewusst zu machen, welche Auslöser bestimmte Emotionen in dir hervorrufen. Indem du diese Auslöser identifizierst, kannst du herausfinden, wie du darauf reagieren willst und welche Verhaltensweisen am besten geeignet sind. Eine weitere Methode ist das Setzen von klaren Zielen für dein Leben. Auch Achtsamkeit spielt eine wichtige Rolle. Indem du lernst im Hier und Jetzt präsent zu sein und deine Gedanken nicht abschweifen lässt, kannst du besser auf deine Emotionen achten und sie kontrollieren, bevor sie die Kontrolle über dich übernehmen. Ebenfalls hilfreich sind Entspannungsübungen wie Atemtechniken, Yoga oder progressive Muskelentspannung. Sie können helfen, Stress abzubauen und besser mit Emotionen umgehen zu können. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Kommunikation mit anderen Menschen. Durch offene Gespräche können Konflikte gelöst werden und du lernst dabei auch, deine eigenen Bedürfnisse genauer auszudrücken.
Wenn du genauer wissen möchtest, wie du deine Emotionen regulieren kannst, solltest du diesen Artikel lesen!
Darum emotionale Selbstregulation die wichtigste Fähigkeit des Jahres 2024
Wenn wir an die wichtigsten Fähigkeiten denken, kommen uns häufig technologisches Know-how oder Kreativität in den Sinn. Doch aus meiner Sicht als Therapeutin ist die emotionale Selbstregulation eine der bedeutendsten Fähigkeiten, die es in unserer Zeit für eine gute Beziehung zu dir selbst und für friedvolles Miteinander braucht. Neben den persönlichen Aspekten und den Auswirkungen dieser Fähigkeit auf deine Beziehungen, gibt es auch noch andere Aspekte, die emotionale Selbstregulation für uns alle so wichtig machen:
- Bildung und Lernen: Schüler:innen und Student:innen, die diese Fähigkeit besitzen, zeigen häufig eine höhere akademische Leistung und bessere soziale Fähigkeiten.
- Führung und Management: Führungskräfte, die diese Fähigkeit besitzen, können Teams besser motivieren, inspirieren und durch schwierige Zeiten führen.
- Gesellschaftliche Harmonie: Emotionale Selbstregulation trägt zu einem friedlicheren Zusammenleben bei, denn sie erhöht das Verständnis für unterschiedliche Perspektiven.
- Politische Diskussionen und Entscheidungsfindung: Selbstregulierten Politiker:innen gelingt es eher, auf die Bedürfnisse und Anliegen der Bevölkerung einzugehen und konstruktiv mit Kritik und Konflikten umzugehen.
Insgesamt ist das Erlernen von Selbstregulierung eine individuelle Angelegenheit und erfordert Geduld sowie Übung. Es geht darum, deine eigenen Bedürfnisse und Emotionen wahrzunehmen und angemessen auf sie zu reagieren, um ein ausgeglichenes Leben führen zu können.
Ich wünsche dir dabei Ausdauer, Geduld und spielerische Neugier!
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Ich unterstütze dich gern auf deinem Weg zur Transformation in ein freies Leben.
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Herzliche Grüße
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