Sieben Tipps für mehr Selbstfürsorge in deinem Alltag

Zeit für mich ist einer der wichtigsten Faktoren der Selbstfürsorge. Auch wenn ich in der Zeit einfach nur in die Landschaft glotze.

Selbstfürsorge bezeichnet alle Maßnahmen, die du ergreifst, um für dich selbst zu sorgen und dir Gutes zu tun. Sie bedeutet, dass du dich selbst wichtig nimmst, zum Beispiel, indem du dir Zeit für dich selbst nimmst, wahrnimmst, wann und wo du dich wohlfühlst, wann und wo nicht. Sie bedeutet auch, dass du lernst, deine Emotionen zu regulieren, und in Krisensituationen wie Trennung oder Jobverlust beobachtest, was dazu beiträgt, dich wohlzufühlen und dann mehr davon in dein Leben zu integrieren. Mit etwas Geduld und viel Wohlwollen dir selbst gegenüber wirst du lernen, gut auf deine Bedürfnisse zu achten und dich selbst zu lieben.

Warum Selbstfürsorge für Menschen mit Traumata wichtig ist.

Für Menschen mit frühen Traumata ist Selbstfürsorge besonders wichtig. Schon in unserer Kindheit haben wir, zum Beispiel aufgrund von sexueller oder psychischer Gewalterfahrung und Grenzüberschreitung, gelernt: Ich bin es nicht wert. Auf meine Bedürfnisse wird keine Rücksicht genommen, also sind meine Bedürfnisse nicht wichtig. Ich bin nicht wichtig. Schlimmer noch, durch dieses Ignorieren meiner Bedürfnisse, habe ich selbst verlernt, diese überhaupt wahrzunehmen. Meine Wahrnehmung hat sich auf Außen fokussiert, wie jemand schaut, spricht, wirkt. So versuchte ich als Kind die Bedürfnisse, Stimmung der anderen einzuschätzen, um ja nicht durch meine Anwesenheit, durch mein Verhalten Gewalt zu provozieren.

Doch was damals dazu beitrug, mich zu schützen, erwies sich im späteren Leben, in meinen Beziehungen als wenig hilfreich. Etwas in mir verglich Situationen, ich fühlte mich oft getriggert und litt unter Flashbacks. Heißt, im Grunde führte ich zwei Leben: Das aktuell stattfindende und parallel dazu waren die vergangenen Erlebnisse so präsent, als würden sie auch im Hier und Jetzt passieren. Dies voneinander zu entkoppeln, gelingt auf verschiedenen Wegen. Einer davon ist die Selbstwahrnehmung, gekoppelt mit der Selbstfürsorge. Ich lernte mich selbst kennen und schätzen. Lernte wahrzunehmen, wer ich bin, was mich ausmacht, welche Bedürfnisse ich habe und im nächsten Schritt, für die Erfüllung meiner Bedürfnisse einzustehen.

Sieben Tipps, wie du Selbstfürsorge praktizieren kannst

Mit einem „das geht nicht“ oder „ich kann das nicht“ solltest du dich nicht abfinden. Häufig klappt das eine nicht, dafür etwas anderes. Auch das meint Selbstfürsorge, das Wohlwollen dir selbst gegenüber. Es ist überhaupt nicht dramatisch, wenn dir etwas schwerfällt oder du es gar nicht probieren magst, genau aus diesem Grund, habe ich für dich sieben Tipps. So kannst du auswählen und probieren, verwerfen und erneut probieren.

1. Akzeptiere, was ist und bewerte dich nicht

Ein wichtiger Aspekt der Selbstfürsorge ist es, dich selbst anzunehmen und zu akzeptieren. Sage Stopp, wenn du dich dabei ertappst, dich selbst zu kritisieren und dich mit anderen zu vergleichen. Dich zu kritisieren und zu vergleichen, kann unglücklich machen und ist Gift für die Liebe zu dir selbst. Mach dir bewusst, dass jeder Mensch einzigartig ist, also auch du. Jeder hat eigene Stärken und Schwächen und genau dieses individuelle Zusammenspiel macht dich aus. Akzeptiere, was war, wer und wie du bist und hör auf damit, eine andere sein zu wollen.

2. Such dir unterstützende soziale Kontakte

Ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Selbstfürsorge ist das Vorhandensein von unterstützenden sozialen Kontakten. Menschen, die dir in schwierigen Zeiten beistehen und dich motivieren, zu dir halten, wenn es dir gerade mal nicht gut geht, die geübt sind, im wohlwollenden Umgang mit sich selbst und anderen, können einen großen Unterschied machen. Es kann hilfreich sein, sich bewusst mit diesen Menschen zu umgeben. Deshalb ist es wichtig, dass du dafür sorgst, Verbindungen zu knüpfen, die dich stärken. Das Teilen deiner Erfahrungen und Gefühle mit anderen kann ein wichtiger Schritt sein, deine mentale Gesundheit zu verbessern. Erkenne, dass es keine Schwäche ist, Hilfe von anderen anzunehmen und dich auf sie zu verlassen. Suche dir bewusst unterstützende soziale Kontakte und pflege diese Beziehungen, damit schaffst du eine solide Basis für Selbstfürsorge. Wenn du noch ganz am Anfang stehst, kann es auch sehr hilfreich sein, wenn du zuerst eine sichere Bindung zu einem Haustier aufbaust. Auch mit einem Tier kannst du sprechen, es berühren und du wirst spüren, wie dies hilft, dich zu beruhigen.

Unterstützende soziale Kontakte sind von Wohlwollen und Verständnis geprägt. Es geht nicht darum, es dir recht zu machen, sondern darum, dich so anzunehmen, wie du bist und auch mal auszuhalten und zu dir zu stehen, wenn dir bspw. die Energie fehlt.

3. Tue Gutes für dich

Es ist wichtig, dass du herausfindest, was dir guttut und dass du es dann auch tust. Nicht nur dann, wenn es dir gerade schlecht geht, sondern auch an guten Tagen. Nimm dir Zeit, um deine Bedürfnisse zu erkennen und zu erfüllen. Du liebst Wärme? Dann mach dir zum Beispiel jeden Abend eine Wärmflasche oder trinke heißes Wasser. Brauchst du Zeit für dich allein, um zu entspannen und abzuschalten, dann nimm dir diese Zeit. Eine Stunde am Tag nur für dich, ein Wochenende im Monat oder gar ein Urlaub nur für dich. Du liebst es dir leckeres Essen zu kochen – dann tu dies, sooft es geht. Malen, Schreiben, Stricken, Sport, Theater – egal, was es ist, mach es zu einer Priorität in deinem Leben und nimm dir die Zeit dafür. Schaff dir Rituale, mit denen du die Dinge, die dir guttun, in dein Leben integrierst. Gesteh es dir selbst zu, nimm diese Bedürfnisse wichtig und du nimmst dich selbst wichtig.

4. Schaffe dir einen sicheren Ort

Eines der wichtigsten Dinge, die du für dich tun kannst, ist, dir einen sicheren Ort zu schaffen. Ein sicherer Ort kann ein physischer Raum sein, wie zum Beispiel dein Schlafzimmer oder eine gemütliche Leseecke in deinem Zuhause. Aber es kann auch ein mentaler Ort sein, wo du dich zurückziehen und zur Ruhe kommen kannst. Indem du dir einen sicheren Ort schaffst, ermöglichst du dir selbst, von der Außenwelt abzuschalten und dich auf deine eigenen Bedürfnisse zu konzentrieren. Du kannst dich entspannen, meditieren oder einfach nur in Ruhe nachdenken. Es ist dein persönlicher Wohlfühlort. Jeder Mensch hat unterschiedliche Bedürfnisse und deshalb braucht es auch unterschiedliche Arten von sicheren Orten. Ich habe bspw. sowohl einen inneren sicheren Ort, an den ich mich zurückziehen kann, egal in welcher Situation ich gerade bin, als auch verschiedene Äußere. Egal, wo ich mich gerade aufhalte, ich schaffe mir eine kleine Ecke, in der ich mich zu Hause fühle, sicher und verbunden. Finde heraus, was für dich am besten funktioniert und nimm dir regelmäßig Zeit dafür. Auf diese Weise wirst du in der Lage sein, dich besser um dich selbst zu kümmern und dein Wohlbefinden zu steigern.

So sah mein Rückzugsort während der Reha 2022 aus. Mein sicherer Ort im Außen, mein Wohlfühlort.

5. Sorge gut für deinen Körper

Eine der wichtigsten Formen der Selbstfürsorge ist die Sorge um den eigenen Körper. Dazu gehört nicht nur eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung, sondern auch genügend Schlaf und Entspannung. Gerade dann, wenn du körperliche Grenzüberschreitungen erlebt hast, ist die Gefahr groß, deine körperlichen Bedürfnisse zu vernachlässigen. Für mich war mein Körper oft nicht mehr als ein lästiges Übel. Er war ein Verräter, mit dem ich mich nur beschäftigte, wenn es nicht anders ging, zum Beispiel, wenn ich krank war. Oft habe ich meinen Körper für das Gefühl von Normalität und Dazugehörigkeit – in Form von Verpflichtungen wie Arbeit, Beziehung, Kind – vernachlässigt.
Indem du dich um deinen Körper kümmerst, stärkst du nicht nur deine Gesundheit, sondern auch dein Selbstbewusstsein und die Lebensqualität. Doch achte darauf, dies nicht mit etwas zu koppeln, einem Ziel wie Abnehmen, Erfolg oder Anerkennung. Es geht einzig darum, dir Wohlfühlmomente zu schaffen. Je mehr dieser Momente du erlebst, desto größer wird der Raum in dir, der dein Raum ist. Du bekommst sozusagen sicheren Boden unter die Füße.

6. Setze Prioritäten 

Wahrscheinlich kennst du das Sprichwort, „Wenn jeder an sich selbst denkt, ist auch an alle gedacht.“ Solltest du zu den Menschen gehören, in denen bei den Worten „an sich selbst denken“ sofort das Verbotsschild EGOISMUS aufleuchtet, dann erinnere dich bitte an die Aufforderung im Flugzeug. Im Katastrophenfall gilt: erst selbst die Sauerstoffmaske aufsetzen, damit bleibst du in der Lage, anderen dabei zu helfen, ihre Maske aufzusetzen. So ist es auch in Bezug auf unsere psychische und physische Verfassung. Du kannst viel Kraft und Energie geben, wenn du im Vorfeld dafür gesorgt hast, selbst über ausreichend Kraft und Energie zu verfügen. Deshalb: Setze Prioritäten und sorge dafür, dass es dir gut geht.

Stell dir vor, du kommst nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause. Dein Kind erwartet dich sehnsüchtig, will spielen, reden, fordert deine Aufmerksamkeit. Du öffnest die Tür und sofort quasselt dein Kind los. Du kannst dich gar nicht wirklich freuen, sehnst dich danach, einfach für 5 Minuten Ruhe zu haben, durchatmen zu können. Diese 5 oder 30 Minuten gönnst du dir aber nicht, weil du weißt, wie sehnsüchtig dein Kind dich erwartet hat. Aber du bist unkonzentriert, lässt die Worte deines Kindes an dir vorbeirauschen. Ist es wirklich das, was du deinem Kind geben willst, dass du nur so tust, als wärest du für es da? Ja, wenn du nach Hause kommst und dir die paar Minuten Zeit für dich von deinem Kind erbittest, wird es für einen kurzen Moment enttäuscht sein. Langfristig gesehen, wird es sich später viel häufiger an die Momente erinnern, in denen du mit deiner Aufmerksamkeit ganz bei ihm warst.

Was, denkst du, ist deinem Kind wichtiger? Die kurzfristige Enttäuschung noch ein paar Minuten zu warten oder langfristig das Gefühl zu haben: wenn Mama sagt, sie ist für mich da, dann ist sie auch für mich da. (Du kannst das Wort Kind auch ersetzen durch Freund:in oder Partner:in.)

7. Erlaube dir NEIN zu sagen

Wenn du zu der Generation gehörst, in der es so gar nicht erwünscht war, dass Kinder eine eigene Meinung haben, auf ihre Bedürfnisse aufmerksam machen, dann hast auch du sicher als Kind gelernt, dass dein NEIN auf Unverständnis, Ablehnung oder Kritik stieß. Im besten Fall erfuhrst du mit deinem Nein eine Zurückweisung, wurdest getadelt. Im schlimmsten Fall wurdest du mit Ignoranz oder gar Schlägen bestraft. Gelernt hast du in so einem Umfeld auf jeden Fall, dass dein Nein nicht zählt oder sogar gefährlich ist.

Auch heute kann es passieren, dass ein anderer Mensch mit Kränkung reagiert, wenn du einmal Nein sagst. Doch genau dieses Nein ist wichtig, wenn du dich ohnehin gerade überfordert fühlst. Das ist eine Form der Prioritätensetzung. Es ist erst einmal wichtiger, dich selbst aus der Überforderung herauszuholen, weil du erst dann in der Lage bist, für andere wirklich da zu sein. Deshalb ist dies einer der wichtigsten Aspekte von Selbstfürsorge. Lass dich nicht von Schuldgefühlen übermannen, wenn du dich um deine Bedürfnisse kümmerst – es ist wichtig und notwendig für deine Gesundheit und dein Wohlergehen. Denn nur wenn es dir wirklich gut geht, kannst du auch wirklich hilfreich für andere da sein. 

Integriere Selbstfürsorge in deinen Alltag

Die Integration von Selbstfürsorge in den Alltag kann eine enorme positive Wirkung auf dein Wohlbefinden haben. Fang mit dem an, was dir am leichtesten fällt. Nimm es dir nicht nur einfach vor, sondern nimm dir auch wirklich die Zeit für das, was dir guttut und für dich wichtig ist. Schaffe dir kleine Zeit-Fenster für dich. Reserviere dir Zeit in deinem Kalender dafür. Etwa eine Stunde am Tag Me-Time. Egal, womit du diese Zeit füllst, sei es durch Meditation, in dich hinein spüren oder einen Spaziergang in der Natur. Oder ein Wochenende im Monat, eine Woche Urlaub allein mit dir. Spiele mit diesen Zeiten.

Ich persönlich nutze all diese Möglichkeiten. Täglich mindestens eine Stunde Zeit für mich – in der Zeit ist auch mein Handy im Flugmodus, egal ob ich zu Hause bin oder auf einem Spaziergang. Ein Wochenende im Monat ist reserviert für mich, für Selbstreflexion, Entspannung, Körperverwöhnprogramm oder eine Wanderung. Und ein- bis zweimal im Jahr mache ich eine Woche Urlaub allein. Diese Zeit mit mir und für mich gibt mir so viel Kraft und Energie, einfach weil ich inzwischen gelernt habe, mich als meine Gesellschaft sehr zu genießen

Selbstfürsorge ist wie Fliegen lernen. Je verbundener ich mit mir selbst und anderen bin, desto mehr Raum entsteht in mir. Auch der Raum für die Fantasie des Kindes in mir: Plötzlich ist fliegen ganz einfach.

Wenn du das Gefühl hast, dass du bei diesem Prozess Unterstützung benötigst, vereinbare gern einen Kennenlerntermin und wir schauen gemeinsam, ob wir zueinanderpassen und wie ich dich unterstützen kann.

In Verbundenheit

 

 

 

2 Kommentare

  1. sylvia 24. Juni 2023 um 14:02 Uhr

    Freut mich sehr Jo, dass mein Beitrag Dich an etwas Hilfreiches erinnert hat.

  2. Jo Sikora 20. Juni 2023 um 20:30 Uhr

    So ein schöner, liebevoller Text über ein wichtiges Thema!
    Besonders gefällt mir die Idee, sich auch mental einen Rückzugsort zu schaffen, an dem man entspannen kann. Ich habe das schon mal bei einem spirituellen Kurs kennengelernt und es braucht etwas Übung, aber dann kann es sehr wohltuend sein.

Hinterlasse einen Kommentar

Hallo, ich bin Sylvia

systemische Therapeutin, Trauma-Coach und Bloggerin. Seit über 20 Jahren arbeite ich mit Paaren, Familien und Einzelpersonen daran, negative Kindheitsprägungen und frühe Traumata zu lösen und ein Leben voller Selbstvertrauen, innerem Frieden und emotionaler Stabilität zu führen.
Für ein erfülltes Leben in Verbundenheit.

Quietschfidel Wolken schaufeln
Mein Motto des Jahres 2024

Blogartikel mit Haltung

Frisch gebloggt: