Vom Überleben zum Leben – Mein Manifest
Ein Manifest für meine Arbeit als Therapeutin und Coach zu schreiben, so lautet die Wochen-Aufgabe aus der Content Society. Es geht darum, die Zusammenarbeit mit mir für meine Kund:innen transparent zu machen, damit sie wissen, was sie erwartet, wenn sie mich für eine Therapie oder ein Coaching buchen. Ich veröffentliche hier die Grundannahmen, die meine Arbeit als Therapeutin und Coach wesentlich prägten und prägen. Diese Annahmen basieren auf Sachverhalten und Erkenntnissen, die meine Prozesse der Transformation begleiteten. Vom unglücklichen, sich selbst entfremdeten Mädchen mit Suizidgefährdung zur selbstbewussten und lebensfrohen Frau. Sie erwiesen und erweisen sich in meiner über 20-jährigen Arbeit als systemische Therapeutin und Coach auch für meine Klient:innen als hilfreich.
Ich habe nur dieses eine Leben und ich will es so intensiv und sinnhaft leben wie es nur irgend geht. Am Ende meines Lebens will ich sagen können: Der Start war alles andere als optimal, doch der Rest war Leben pur, voller Freude und Schmerz und Lust und wunderbarer Verbindungen. Ich habe gern gelebt! Danke Leben, für alles was du mir geboten hast!
Du überlegst, mit mir zusammenzuarbeiten und bist dir bislang nicht sicher, ob ich die richtige Coachingpartnerin oder Therapeutin für dich bin? Dann lies mein Manifest und du weißt, wofür ich mit meiner Arbeit stehe.
1. Fühlen ist die Grundlage für ein intensives und erfülltes Leben
Als Kind hätte ich nicht überlebt, wenn ich all die Gefühle und die Todesangst gespürt hätte. Aus dieser existenziellen Erfahrung heraus hat sich in mir die Angst vor den eigenen Gefühlen entwickelt. Angst, in der eigenen Traurigkeit zu ertrinken, Angst, wenn ich all die Wut in mir herauslasse, dann werde ich zur Mörderin. Diese Angst war begründet in der Annahme, die Gefühle entwickeln ein Eigenleben und einmal losgelassen entfalten sie ihre zerstörerische Kraft. Die Kehrseite dessen war Gefühllosigkeit und Leere. Das führte mich mehr als einmal in Depression und Burn-out.
Erst nachdem ich gelernt habe meine Emotionen zu kontrollieren, lernte ich die Vielfalt möglicher Emotionen kennen und die Lebendigkeit und Fülle hielten Einzug in mein Leben. Heute weiß ich, niemand wird an meiner Wut sterben, aber meine Wut stärkt mich, wenn ich sie kontrolliert zulasse. Indem ich meinen Emotionen Raum gebe, lerne ich mich selbst besser kennen. Ich erkenne, was mich bewegt, glücklich macht, ängstigt oder traurig stimmt. Dieses Selbstverständnis ist entscheidend, um ein authentisches Leben zu führen. Außerdem kann ich, wenn ich meine Gefühle erkenne und sie mit anderen teile, tiefere Beziehungen aufbauen, denn Empathie und Mitgefühl basieren auf dem Verständnis für die Emotionen anderer.
2. Die einzige Pflicht meines Lebens: Selbstfürsorge
Pflichten sind für Menschen wie mich, die in der Enge von Überzeugungen und Vorstellungen anderer Menschen aufwuchsen, ein Gräuel. Dennoch habe ich mich, mir selbst gegenüber dazu verpflichtet, für meine Bedürfnisse, meinen Körper und das Futter für meinen hungrigen Kopf zu sorgen. Stimmt, das ist eher aus der Not entstanden, denn es war hart anzuerkennen, dass sich niemand um das kümmert, was mir wichtig ist, was ich für ein gutes Leben brauche. Mir selbst zur Freundin zu werden und darauf zu achten, wie ich mit meinen Kräften, meiner Energie und meinem Körper umgehe, war notwendig, um den Weg aus dem Überlebensmodus in den Lebensmodus zu finden.
Selbstfürsorge ist ein Ausdruck des Respekts mir selbst und anderen gegenüber. Indem ich mich selbst pflege und achte, erkenne ich an, dass ich einen inneren Wert und eine Bedeutung habe, die es wert sind, geschützt und geachtet zu werden. Wenn ich mich selbst vernachlässige und meine Bedürfnisse ignoriere, riskiere ich physische und psychische Gesundheitsprobleme. Heute weiß ich, dass ich nur dann gut für andere Menschen da sein kann, wenn ich gut für mich sorge, und zwar genau in der Art und Weise, die meinen Bedürfnissen entspricht. Ein erfülltes Leben führen zu können, hat für mich oberste Priorität. Das gelingt mir, in dem ich auf mich achte.
3. Trauma ist eines der letzten Tabus in unserer Gesellschaft
Menschen sind gern mit uns zusammen, wenn wir strahlend sind, voller Tatendrang und positiver Energie. Doch wir alle haben schon in der ein oder anderen Form erlebt, wie schnell wir in Schubladen gesteckt, abgewertet oder bemitleidet werden. Der Ehemann ist vor einem Jahr verstorben und die Frau bekommt zu hören „Jetzt musst du aber langsam mal wieder nach vorn schauen“. Sobald wir von den Schmerzpunkten unseres Lebens erzählen, traurig oder wütend sind, kommt jemand daher mit einem Spruch „Das ist doch schon so lange her!“ „Wir haben alle unseren Rucksack zu tragen“ „Du musst es aber auch mal wieder gut sein lassen.“ Über die dunklen Seiten des Lebens wollen wir nicht sprechen, obwohl es meist diese sind, die uns, wenn auch unfreiwillig, zu Veränderung und Entwicklung bringen.
Das führt dazu, dass wir uns in solchen Situationen zurückziehen, häufig nicht ehrlich über das sprechen, was uns widerfahren ist. Dabei begegnen uns allen irgendwann im Leben herausfordernde Situationen, die als traumatisch empfunden werden können: Trauma ist nicht nur körperliche oder emotionale Gewalt, Missbrauch, Vernachlässigung, sondern auch über Verluste durch Trennung oder Tod, Unfälle, Armut, Arbeitslosigkeit, Naturkatastrophen oder auch Kriegserlebnisse (Armeeangehörige, Angehörige von Hilfsorganisationen in Krisengebieten).
Ganz zu schweigen davon, dass es auch transgenerationale Traumata gibt, die gerade in Europa nach zwei Weltkriegen ihre Wirkung zeigen. Dies geschieht oft auf unbewusster Ebene und kann sich in Form von Verhaltensweisen, emotionalen Reaktionen und Beziehungsmustern manifestieren. Aus meiner Sicht gibt es einen Weg, all diese Traumamuster zu durchbrechen: Die Muster erkennen, in gesündere Muster transformieren und mit der neu gewonnenen Stärke darüber sprechen.
4. Meine Gedanken erzählen mir das, was ich für richtig halte
Der Spruch „Glaube nicht alles, was du denkst“ hat mir in meinem Leben wirklich weitergeholfen. Gerade in Zeiten der Depression oder in einer Krise sind die Botschaften meines Kopfes beängstigend. Statt Druck von mir zu nehmen, steigern sie den Druck enorm. Der Denkrahmen weitet sich nicht, sondern verengt sich. Die Ansprüche meiner Gedanken fordern noch mehr Perfektionismus von mir, erzählen mir von Versagen, statt mich dabei zu unterstützen nach Lösungen zu suchen.
Der Hintergrund dieses Phänomens ist, dass unsere Gedanken von vielen Faktoren beeinflusst werden. Unsere Gedanken werden stark von unseren Lebenserfahrungen und Überzeugungen geprägt. Wenn wir bestimmte Erfahrungen gemacht haben oder tief verwurzelte Überzeugungen haben, neigen unsere Gedanken dazu, diese Erfahrungen und Überzeugungen widerzuspiegeln. So ist es auch mit unseren Emotionen: Wenn wir glücklich, traurig, ängstlich oder wütend sind, können unsere Gedanken von diesen Emotionen beeinflusst werden und uns dazu verleiten, Dinge auf eine bestimmte Weise zu sehen.
Dazu kommt, dass ein großer Teil unserer Gedanken im Unterbewusstsein stattfindet, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen. Diese Gedanken können unbewussten Wünschen und Ängsten beeinflusst sein und unser bewusstes Denken beeinflussen. Außerdem entwickeln wir im Laufe unseres Lebens Denkmuster und Gewohnheiten, die sich schwer ändern lassen. Unsere Gedanken folgen oft diesen eingefahrenen Bahnen, selbst wenn sie uns nicht immer nützlich sind. Ein Satz, der mir hilft, diese Muster zu durchbrechen, ist die Frage: Kann ich das auch anders sehen? Das erfordert ein wenig Übung, erweitert aber am Ende den Spielraum für Gedanken und Handlungen.
5. Alles, was ich tue, hat einen guten Grund
Das „Prinzip des guten Grundes“ habe ich zuerst in einer Weiterbildung zur Traumapädagogin kennengelernt. Es geht von der Annahme aus, dass eine Person im Laufe ihres Lebens Verhaltensstrategien entwickelt, um mit belastenden Situationen und Herausforderungen umgehen zu können. Diese Verhaltensstrategien basieren auf den individuellen Erlebnissen, Erfahrungen und Sozialisierungen dieser Person. Die daraus resultierenden Verhaltensweisen können, wenn sie nicht auf diesem lebensgeschichtlichen Hintergrund des Gegenübers verstanden werden, zu großen Irritationen und Unverständnis führen.
Ich selbst habe Handlungen von mir als irrational empfunden, konnte sie nicht einordnen, zum Beispiel, wenn ich mich wieder einmal trennte, obwohl ich keinen triftigen Grund für die Trennung benennen konnte. Menschen, die es offensichtlich gut mit mir meinten, wies ich von mir. Projekte, die mir wichtig waren, beendete ich nicht. Ich verstand mich selbst nicht und landete in einem Kreislauf der Impulsivität, Selbstabwertung und des Getriebenseins. Erst als ich das Prinzip des guten Grundes auf mich selbst anwendete, erkannte ich, dass die meisten dieser Aktionen und Reaktionen, Schutzmaßnahmen waren, die in der Kindheit gut und notwendig waren, später jedoch eher destruktive Wirkungen hatten. Diese Grundhaltung führte zu einer großen Entlastung, zu Verständnis für mich und zu mehr Selbstliebe.
6. Hinterfrage, was andere dir über dich erzählen
In der Kindheit nehmen wir auf, was unsere Eltern uns über uns erzählen und wir glauben es. Einfach, weil uns die Möglichkeiten und Mittel zur Überprüfung fehlen. Wir wissen nicht, dass das, was unsere Eltern uns mit auf den Weg geben, geprägt ist von ihren Erfahrungen und Emotionen. Mitunter schreiben sie uns zu, was sie von ihren Eltern über sich gelernt haben, oder was sie von sich selbst nicht akzeptiert haben. So glaubte ich viele Jahre meines Lebens, ich sei dumm, faul, eine Heulsuse und Lügnerin. Diese Erzählung wurde weitergetragen und mir gespiegelt von meinen Brüdern, Großeltern und selbst von den Lehrer:innen, die Kolleg:innen meiner Mutter waren.
Es hat Jahre gedauert, bis ich verstanden hatte. Meine Mutter hatte studiert, mein Vater nicht. Es war sein Minderwertigkeitskomplex, den er auf mich übertrug. Ich brauchte 2 Studienabschlüsse, mehrere Weiterbildungen und einen IQ-Test, um mir selbst zu beweisen, dass an „Ich bin dumm“ nichts stimmt. Auch an der Zuschreibung, ich sei faul, ist nichts haltbar, denn ich habe immer geleistet. Mit einer Einschränkung. Mich müssen die Themen, für die ich mich engagiere, interessieren. Dinge, die mich langweilen, verfolge ich wirklich nur halbherzig oder gar nicht. Eine Heulsuse war ich, weil ich permanent Angst hatte.
Zu identifizieren, welche Zuschreibung zu wem gehörte, war der erste Schritt. Heute vertraue ich auf meine Intuition und auf die Worte, die eine Person wählt, wenn sie mir etwas über mich erzählt. Heute habe ich die Wahl, möchte ich mir überhaupt anhören, was jemand über mich sagen will? Du darfst mich gern vorher fragen. Auch wenn ich es mir anhöre, verpflichtet mich das nicht dazu, mir deine Worte anzunehmen. Es ist deine Wahrnehmung von mir und die muss nicht zwingend etwas mit mir zu tun haben.
7. Die Würde ist das höchste Gut
Es gibt in unserer Verfassung diesen wunderbaren Paragrafen, der besagt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Gehe ich davon aus, dass auch Kinder Menschen sind, dann habe ich das Gegenteil schon früh in meinem Leben gelernt. Meine Würde als Kind war antastbar und sie wurde angegriffen. Schaue ich mir unsere Gesellschaft an, in der Rassismus, Homophobie und Antisemitismus wieder salonfähig sind, würde ich sagen: Ziel verfehlt.
Wenn mir als Kind beigebracht wird, dass ich nichts wert bin, dass es für mich so etwas wie Würde nicht gibt, dann glaube ich das. Das hat Einfluss darauf, wie ich mich selbst und andere Menschen sehe und behandle. Für mich bezieht sich der Begriff Würde auf den inneren Wert und die Einzigartigkeit eines Menschen oder eines Lebewesens. Das meint die Anerkennung, dass jeder Mensch unabhängig von äußeren Faktoren wie sozialem Status, Herkunft oder Geschlecht einen inneren Wert hat. Jeder Mensch, jedes lebendige Wesen verdient Respekt und Achtung allein aufgrund seiner Existenz.
Gestehe ich mir Würde zu, hat dies Einfluss auf meine Selbstachtung und Selbstbestimmung und in der Folge auch darauf, dass ich andere Menschen mit Freundlichkeit, Empathie und Mitgefühl behandel und ihre Bedürfnisse und Gefühle berücksichtige. Würde ist einer meiner zentralen Werte, für mich selbst und im Umgang mit anderen Menschen und Lebewesen. Gemäß meinem Claim „Ins Kleid des Lebens Würde weben“ sehe ich es als meine Aufgabe, die Würde wieder mehr in den Fokus zu rücken, von mir, von dir, von uns allen.
8. Leben ist Veränderung
Lange Zeit empfand ich es als deprimierend und schmerzhaft, wenn Situationen, in denen ich mich wohl und sicher fühlte, endeten. Das konnte ein Buch sein oder ein Urlaub, eine Beziehung oder ein Job. Ebenso kenne ich Situationen, in denen ich Änderungen herbeiführte, ohne zu wissen, warum. Ich wollte die Veränderung und fürchtete sie. Einerseits fürchtete ich also Veränderungen und andererseits suchte ich sie. Diese Diskrepanz verstand ich lange nicht, bis ich erkannte, dass es einen Zusammenhang zwischen Veränderung und Sicherheit gibt.
Um Veränderungen in unserem Leben zu akzeptieren und zu initiieren, benötigen wir oft ein gewisses Maß an Sicherheit. Wenn wir uns unsicher fühlen, zögern wir oft, uns auf Veränderungen einzulassen. Diese Sicherheit kann in Form von stabilen Grundbedürfnissen, finanzieller Stabilität oder emotionaler Unterstützung kommen. Wenn diese Grundlagen vorhanden sind, sind wir eher bereit, Veränderungen zu akzeptieren und zu gestalten. Andererseits kann Veränderung die bestehende Sicherheit herausfordern. Zum Beispiel kann ein Jobwechsel vorübergehend finanzielle Unsicherheit mit sich bringen. Die Angst vor dem Unbekannten und die Unsicherheit, wie Veränderungen sich auswirken werden, können beängstigend sein und uns in unserem Komfortbereich halten.
Heute weiß ich, die Kunst liegt darin, eine Balance zwischen Sicherheit und Veränderung zu finden. Zu viel Sicherheit kann dazu führen, dass ich in der Stagnation verharre und Chancen verpasse, mich persönlich weiterzuentwickeln. Zu viel Veränderung ohne ausreichende Sicherheit kann zu übermäßigem Stress führen. Deshalb ist es mir wichtig, die richtige Balance zu finden, die individuell für jeden von uns funktioniert.
9. Erwartungen sind mein gutes Recht, ihre Erfüllung durch andere nicht
In jeder meiner früheren Beziehungen wurde ich enttäuscht. Ich hoffte, der Schmerz und die Trauer über das, was mir in der Kindheit angetan wurde, würden von mir genommen. Dass die Liebe eines anderen Menschen mich heilen würde, daran glaubte ich. Ich glaubte nicht nur daran, ich erwartete es sogar. Und wurde jedes Mal enttäuscht. Das führte dazu, dass ich die Liebe der anderen Person für mich anzweifelte. Wenn ich mich nicht besser fühlte, dann konnte die Liebe nicht groß genug sein. Was für ein fataler Trugschluss.
Wir alle haben Vorstellungen darüber, wie Dinge laufen sollten oder wie Menschen sich verhalten sollten. Wenn die Realität nicht mit unseren Erwartungen übereinstimmt, erleben wir Enttäuschung. Auf die harte Tour – das Zerbrechen von guten und wichtigen Beziehungen – lernte ich, dass die Realität selten perfekt mit meinen Vorstellungen übereinstimmt. Meine Erwartungen waren oft zu hoch, zu starr und an die falschen Personen gerichtet. Das erhöhte die Wahrscheinlichkeit, enttäuscht zu werden. Im Ergebnis war ich traurig, frustriert, wütend. All das veränderte meine Wahrnehmung von der jeweiligen Situation. Heute weiß ich, wie wichtig es ist, die eigenen Erwartungen zu erkennen und zu hinterfragen. Sind meine Erwartungen realistisch und angemessen? Ist es wirklich immer schlimm, enttäuscht zu werden?
Sind Erwartungen immer negativ? Keineswegs. Sie können auch dazu beitragen, positive Erfahrungen zu schaffen. Positive Erwartungen an eine Beziehung oder an eine berufliche Gelegenheit können dazu beitragen, dass diese Erwartungen erfüllt werden und Freude und Erfüllung bringen. Auch Enttäuschungen können Gelegenheiten zum Lernen und persönlichen Wachstum sein. Das gelingt mir jedoch nur, wenn ich aufhöre, sie zu bewerten. Dann helfen sie mir, realistischere Erwartungen zu entwickeln, meine Bedürfnisse und Prioritäten zu überdenken. So werde ich widerstandsfähiger gegenüber zukünftigen Enttäuschungen. Deshalb ist es mir wichtig, Strategien zur Überprüfung meiner Erwartungen und gesunde Bewältigungsstrategien für den Umgang mit Enttäuschungen zu entwickeln.
10. Liebe ist ein Geschenk
Liebe ist ein so aufgeladener und großer Begriff, dass es für mich paradox erscheint, eine Antwort auf die Frage „Was ist Liebe?“ finden zu wollen. Bisher habe ich keine abschließende Antwort auf diese Frage gefunden. Liebe scheint etwas zu sein, was von Person zu Person und von Kultur zu Kultur unterschiedlich verstanden und erlebt wird. Mein Liebesbegriff war überladen mit Erwartungen, überbordenden Emotionen, Worthülsen, die es zu füllen und fühlen galt. Die Bücher, die ich las, die Filme, die ich sah, die Beziehungen der Menschen um mich herum, die zueinander von Liebe sprachen und ihr Umgang miteinander, all das prägte meinen Liebesbegriff.
Das Fatale daran: ich fand mich darin nur selten wieder. Heißt, die Erwartungen an mich selbst und die Erwartungen an die Liebe anderer Menschen, waren sehr hoch und ich wurde oft enttäuscht. Von mir selbst und von anderen. Also machte ich mich auf Spurensuche. Woran erkenne ich Liebe? An Worten? Wenn die Handlungen den Worten entsprechen, ist das für mich ein Indikator. Aber was, wenn die Worte fehlen? Dann sind noch immer die Handlungen ein Indikator.
Heute frage ich mich: Empfinde ich tiefe Zuneigung und Wohlwollen für die andere Person? Fühle ich mich emotional mit ihr verbunden? Sind wir freundlich zueinander? Will ich ihr Gutes tun und tut mir unser Miteinander gut? Vertraue ich der geliebten Person und fühle mich in ihrer Gegenwart sicher?
Fakt ist, Liebe zeigt sich mir in den Handlungen, in der Art, wie wir miteinander umgehen. Das bedeutet nicht, Erwartungen zu erfüllen, sondern das zu geben, was ich im Moment geben kann, an Zuwendung, Unterstützung, Vertrauen, Freundlichkeit. Es bedeutet auch, dass ich nicht darauf warte, dass meine Erwartungen erfüllt werden. Liebe ist ein Geschenk, nichts, was ich oder jemand anderer einfordern kann oder annehmen muss.
11. Gefühle sind nicht gefährlich
Gefühle zeigen, war in meiner Kindheit gefährlich. Meine Gefühle wurden bewertet Erwachsenen, galten als „angemessen“ oder häufiger als „unangemessen“. Das „falsche Gefühl“ konnte für mich Verheerendes auslösen. So lernte ich früh, meine wahren Gefühle zu unterdrücken, um mich zu schützen. Bald wusste ich selbst nicht, was ich fühlte und ob das, was sich in einer Situation zeigte, angemessen oder unangemessen war. Was ich lernte: Das Ausdrücken von Gefühlen ist gefährlich, macht mich verletzlich und ich kann enttäuscht werden. Damit wuchs die Angst, die Kontrolle über meine Handlungen oder mein Leben zu verlieren.
Später versuchte ich, Gefühle zu vermeiden, um weitere Verletzungen zu verhindern. Eine Art Selbstschutzmechanismus. Da war es auch nicht förderlich, dass wir in einer Kultur leben, die das Zeigen von Emotionen als Schwäche stigmatisiert. Ich wollte „normal“ sein, akzeptiert zu werden und wurde mir selbst immer fremder dabei. Gefühle, die eigenen und die anderer betrachtete ich als etwas Unbekanntes und Unkontrollierbares. Das löste Unsicherheit aus, da ich nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte. Ich erlebte mich selbst und andere emotional als tickende Zeitbombe.
Bis eine Therapeutin mir sagte: „Die Gefühle, vor denen Sie Angst haben, sind alt und gehören zu einer Situation, die vorbei ist. Die Situation haben Sie überlebt, aber sie haben immer noch Angst, dass ihre Gefühle gefährlich sind. Aber ihre Gefühle sind nur Gefühle. Die töten Sie nicht!“ Heute weiß ich, Gefühle sind Gefühle. Sie gehören zum Leben dazu. Kommen und gehen, wenn ich sie kommen und gehen lasse. Sie können schmerzhaft sein oder beflügelnd. Das Entscheidende im Umgang mit ihnen, sind die Gedanken, die ich mir zu diesen Gefühlen erzähle, die Bewertung, die ich ihnen gebe. Ich habe gelernt, meine Gedanken und Gefühle zu beobachten und je mehr mir dies gelingt, desto ruhiger und gelassener werde ich.
12. Akzeptanz und Fokus
Jahrelang hoffte ich auf Wiedergutmachung, ohne eine Idee davon zu haben, wie diese aussehen könnte. Ich hatte mir das alles nicht selbst ausgesucht – wie manche Esoteriker versuchten mir einzureden. Ich lehne bis heute diese retraumatisierende Deutungsweise ab, nach der das miese Karma diverser Vorleben mich in diese Familie gebracht hat. Auch lehne ich die Idee ab, nach der ich mir meine Eltern vor der Geburt ausgesucht habe, um eine bestimmte Aufgabe in diesem Leben zu erfüllen. Mir wurde so viele Jahre „Schuld“ zugeschrieben, dass ich es satthatte. Ich wollte, dass die „Schuldigen“ ihre Schuld anerkennen und für sie einstehen.
Ich hoffte lange Zeit, dann wäre alles gut. Doch niemand entschuldigte sich bei mir für all das Unrecht. Das ließ mich immer mehr verbittern. Anfang meiner 30-er Jahre begegnete mir eine 70-jährige Frau mit ähnlicher Kindheitsgeschichte und sie war verbittert. So sehr, dass sie im Resümee kein gutes Haar an ihrem Leben ließ. Das brauchte mich zum Aufwachen. Ich wollte nicht am Ende meines Lebens sagen, „dieses Leben war sinnlos, weil ich eine so furchtbare Kindheit hatte“. Wieder einmal machte ich mich auf die Suche und fand die Methode Akzeptanz und Fokus.
Akzeptanz meint das wertungsfreie Akzeptieren dessen, was damals geschehen ist, einschließlich der Tatsachen, dass es nicht weg- oder wiedergutzumachen ist. Es bedeutet das Anerkenntnis: so war es, nicht anders. Mit allem Schmerz und all der Wut und Trauer, die dazugehören. Fokus meint die Vision, die auf der Akzeptanz basiert. „OK, so war es, so soll es nicht bleiben, wie will ich stattdessen leben?“ Das heißt, ich akzeptiere, das, was war, als zu meinem Leben gehörend. Es hat mich geprägt, aber ich gebe ihm nicht länger die Macht, meine Gegenwart und Zukunft zu bestimmen.
Ins Kleid des Lebens Würde weben
Du bist neugierig geworden und denkst über eine Zusammenarbeit mit mir nach?
Buch dir einen kostenfreien Kennenlerntermin und wir schauen, ob wir miteinander arbeiten wollen und können.
Ich freue mich darauf, dich kennenzulernen.
Du bist herzlich willkommen!
Sylvia
Das freut mich sehr, liebe Wilhelmine! LG Sylvia
Liebe Sylvia,
ich danke dir für deinen unglaublich starken und tiefgreifenden Blogeintrag!
Ein ganz grossartiges Manifest vom Überleben zum Leben, das mich sehr berührt und auch mir auf meinem eigenen Befreiungsweg eine große Hilfe gibt.
Ganz herzlichen Dank dafür.
Liebe herzliche Grüße
Wilhelmine